Mariabuchen

 
 Geschichte und Hintergrund, volkskundliche Darstellung

 

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Wo ist das lateinische Original ?

Diese Urkunde hat sich im Original nicht erhalten und es bezeugt auch keiner unserer Autoren des 17. Jahrhunderts, dass er die Errichtungsurkunde der Buchenwallfahrt je vor Augen gehabt hätte. Alfons Ruf zitiert die deutsche Abschrift der ursprünglich lateinischen Stiftungsurkunde nach einer Wertheimer Abschrift und weist unter Berufung auf Paul Schöffel11 darauf hin, dass das lateinische Original 1945 im Würzburger Diözesanarchiv verbrannt sei. Aber der Würzburger Volkskundeprofessor Josef Dünninger (1905-1994) hatte bereits 1960 darauf aufmerksam gemacht, dass in den Materialien des Jesuiten Johannes Gamans (1609-1684) in der Universitätsbibliothek Würzburg der Bericht "Historia Oder wahrhafftig geschicht von dem Marienbildt zur Buchen im Hertzogthumb Francken und dessen Erfindung" des Neustädter Benediktiners Christoph Wagner, Pfarrer von Steinfeld (1649-1655), überliefert sei. Diesen Würzburger Text hat Hans-Theo Ruf 1972/ 73 mit den Archivalien in Maria Buchen verglichen und den Neustädter Benediktiner Christoph Wagner neben seinem Mitbruder Valentin Leucht als einen der Schreiber der unterschiedlichen Maria Buchener Beschreibungen des 17. Jahrhunderts über Ursprung und Wachstum der dortigen Wallfahrt ausgemacht. Wagner überlieferte uns - wohl aus Neustädter/ Steinfelder Tradition, zu der sich auch Leucht zählte - den oben wiedergegebenen Wortlaut des Erlasses von Fürstbischof Johann II. von Brunn zur Gründung des Wallfahrtsortes Maria Buchen. Die heute im Klosterarchiv noch vorhandenen Abschriften der Texte werden aus der nämlichen Überlieferungslinie kommen.

Kein Hinweis auf den Judenfrevel im 15. Jahrhundert

In diesem fürstbischöflichen Gründungserlass für die erste Kapelle in Buchen wird, und das ist entscheidend, weder auf den von Valentin Leucht erzählten Kultfrevel noch auf andere Varianten der Auffindungslegende Bezug genommen. Die Pietà wird nicht als ursprüngliches Gnadenbild erwähnt und von einer Wallfahrt wird nicht ausdrücklich berichtet. Vielmehr preist Johann von Brunn (nach dem Text des Benediktiners Christoph Wagner) die Mutter des Herrn als Königin des Himmels und als Gottesgebärerin, in der wir ihren Sohn Jesus Christus verehren sollen. Entsprechend nennt er zuerst auch die einschlägigen Herrenfeste, an denen die Besucher der privilegierten Kirche unter bestimmten, festgelegten Bedingungen einen besonderen Ablass von 40 Tagen erwerben können. Dieser (deutsche) Ablassbrief ist datiert Würzburg im Jahre 1434 den nächsten Tag nach Bartholomäi (25. August). Johann Georg Höfling (1807-1842) glaubte, mit diesem Tag auch die erste Kapelleneinweihung verbinden zu können, was aber bereits der aus Sendelbach stammende, an der Wallfahrt sehr interessierte und sie fördernde Geistliche Rat Franz Conrad (1848-1925) für nicht stichhaltig ansah.

Woher kommt der Ablassbrief des Johann II. von Brunn?

Wir wissen nicht, woher Wagner den Text Johanns II. von Brunn genommen hat. Die von uns gesehenen Traditionslinien sind sicher gut möglich, aber letztlich spekulativ. Es ist auffällig, dass uns dieser Text erstmals in einer Zeit überliefert wird, in der die Sehnsucht nach der friedlichen "Herrschaft der Königin des Himmels" besonders plausibel erscheint. Mit dem Friedensschluss von Osnabrück und Münster 1648 hatte der Würzburger (seit 1642), auch Mainzer (seit 1647) und später auch Wormser (ab 1653) Kurfürst-Erzbischof und Reichserzkanzler, Johann Philipp von Schönborn (1605-1673), den seine Anhänger in jener Zeit wegen seines Anteils an der Beendigung des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) "den deutschen Salomon" nannten, wesentliche Voraussetzung für neues religiöses Leben auch in seinen Hochstiften geschaffen. Im Mainzer Teil des Spessart ließ Johann Phi- lipp in Rengersbrunn eine neue Wallfahrtskapelle bauen anstelle eines Marienbildes, das nach der Legende die schwedischen Soldaten hatten zerstören wollen. Die Schönborn-Kapelle wurde inzwischen durch die 1777 geweihte größere Wallfahrtskirche ersetzt. Seinen Namen verband er aber fest mit der dortigen Gnadenstätte durch den bis heute erhaltenen, 1647 gefassten Regisborn, einen Marienbrunnen, der an die Rettung des nach der Sage im Spessart des Nachts verirrten Kaisers Friedrich I. Barbarossa (1152- 1190) erinnern soll. Als Brunnenfigur ziert den Pilgerbrunnen ein Relief der schmerzhaften Gottesmutter, die als "Maria lactans" die frommen Pilger mit dem ihren Brüsten entspringenden Wasser nährte. Schönborns Mainzer Oberamtmann in Lohr (seit 1649), Johann Peter von und zu Franckenstein (1620-1681), beförderte durch systematische Prozessionsgründungen in den Spessartorten die Wallfahrt nach Rengersbrunn und anderswohin, beispielsweise in Lohr entstand in jener Zeit die mehrtägige Wallfahrt zum Heiligen Blut nach Walldürn ebenso wie die Rengersbrunnwallfahrt. Auch die Valentinuskapelle auf der Anhöhe über der Stadt wurde nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges durch ihn erneuert und die Prozessionen dorthin wiederaufgenommen) . 1666 kam die Pestprozession hinzu. Die von dem Benediktiner Christoph Wagner (in der Übersetzung das Ablassbriefes von 1430/34) dem spätmittelalterlichen, eher wenig spirituellen Fürstbischof Johann II. Brunn zugeschriebene Wallfahrtstheologie formulierte pointiert Positionen, die wir eigentlich besonders mit der Gegenreformation verbinden.

 

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