Es regnet seit sie zuhause in Waldaschaff aufgebrochen sind.
Das war um 6 Uhr in der Frühe am 14. August. Und es regnet auch noch, als die rund 100 Fußwallfahrer
24 Kilometer später zur Mittagszeit in Lohr a. Main einziehen. Abgekämpft sind sie und doch auch schon
ein wenig müde. Denn die Waldwege sind teilweise durch Holzrücke-Arbeiten beschädigt und durch den
Sommerregen feucht und schlammig. Während und nach der Mittagspause halten sich auch die
Regenwolken etwas zurück. Und als um kurz vor 15 Uhr die Glocken der Wallfahrtskirche den Pilgerstrom
begrüßen, braucht es gar keinen Sonnenschein, denn glückliche Gesichter der Gruppe strahlen selbst
um die Wette.
Wieder einmal haben sie es geschafft und die 28 km von daheim nach Mariabuchen durch dichten
Spessartwald über die Berge und den Main zu Fuß zurückgelegt.
Auf ein Pestgelübde soll die Wallfahrt der
Waldaschaffer zurückgehen und ist daher eine
der ältesten und beständigsten, die Mariabuchen
zum Ziel hat. Selbst in den schweren Kriegszeiten
des letzten Jahrhunderts habe ein kleines Häuflein
treuer Frauen das Versprechen der Vorfahren nicht
vergessen und durch diese harte Zeit gerettet.
Helmut Haun, heute einer der drei Organisatoren,
erinnert sich selbst noch an ein Jahr, als gerade
einmal 17 Männer noch den Weg zum Gnadenort fanden.
Doch das ist schon lange her und nach Zeiten mit
bis zu 160 Fußpilgern pendelt sich die Teilnehmerzahl
seit Jahren bei 100 - 120 ein. Aus Dankbarkeit für
die Geschenke des Lebens geht er alle Jahre wieder
auf die Wallfahrt.
Er schätzt die Ruhe am Wallfahrtsort und den Fußweg
als idealen Beginn des Jahresurlaubs. "Da kann man
wirklich vom Alltagsstress abschalten."
Pater Paul begrüßt die Pilgerschar in der Kirche.
Er verliert nicht viele Worte, denn diese Menschen
brauchen erst einmal trockene Kleider und eine Stärkung.
Doch schon um 17.15 Uhr beginnt die Bußandacht und
gemeinsame Gewissenserforschung mit Pater Jacek.
Die Waldaschaffer haben während ihres Marsches viel gebetet
und gesungen und sind deshalb gut vorbereitet.
Kein Wunder, dass die Patres nun im Beichtstuhl Arbeit
bekommen.
Inzwischen treffen viele Angehörige und Freunde aus der Heimat
auf dem Kirchplatz ein. Sie haben die Wallfahrer heute tagsüber
geistig begleitet und kommen, um zusammen mit ihnen die Abend-
andacht zu feiern. Norbert Belz teilt inzwischen die dazugehörigen Lieder und Texte aus.
Auch er ist seit vielen, vielen Jahren dabei und führt den Wallfahrerzug an.
Er sorgt unterwegs für Ordnung und ein Schritttempo, bei dem jeder mitkommt. Bei ihm ist auch die
Wallfahrtsfahne gut aufgehoben, die heute zum Schutz vor dem Regen sicher in eine Kunststoffhülle
eingepackt war. Warum er seit Jahrzehnten nach Mariabuchen wallt, kann er gar nicht recht beschreiben.
"Das muss man einfach einmal erlebt haben.
Wenn's soweit ist, juckt's einen einfach in den Füßen."
Alfred Streib ist heuer zum ersten Mal von einem Bekannten "mitgenommen" worden. Er stammt wie eine
nicht unbeachtliche Zahl der Wallfahrer gar nicht aus Waldaschaff, sondern wohnt in einem Nachbarort.
Schon als Vierjähriger habe er das Wallfahren nach Dettelbach nahe der Heimat kennen gelernt.
Auf der Suche nach alternativen Gottesdienstformen entdeckt der studierte Theologe zu seinem
eigenen Erstaunen auf Wallfahrten immer wieder, dass Gebete und Lieder, die ihm aufgrund
seines theologischen Verständnisses zuhause im Gottesdienst in der Pfarrei "eher den Magen umdrehen",
im Rahmen einer Wallfahrt einfach passen und ihren Platz haben.
Pünktlich um 18.15 Uhr beginnt die Andacht. Manfred Hock sitzt an der Orgel. Er hat die Wallfahrt schon
seit Wochen vorbereitet, in der Pfarrei die Zeiten veröffentlicht, die Termine mit den Brüdern in Mariabuchen
besprochen, Lieder und Gebete ausgesucht und schließlich auf den Weg am Mikrophon vorgebetet.
Auch die Abendandacht ist von ihm zusammengestellt. Die Waldaschaffer singen gern.
"Ave Glöcklein läutet still..." schallt es kräftig aus der Kirche. Die Gebete sind einfach,
doch sie haben Tiefe. Und der Meditation über
das Schweigen folgt nach diesem langen Tag jeder gerne. Am schönsten scheint aber doch das
gemeinsame Singen alter und moderner Marienlieder gleichermaßen zu sein.
Schon seine Mutter habe ihn vor über 30 Jahren mit nach Mariabuchen genommen, erzählt
Manfred Hock später.
Die Ruhe in Mariabuchen schätze er sehr und die besondere Art der Gemeinschaft unter den Wallfahrern.
Zur gemeinsamen Anstrengung komme das gemeinsame Gebet. Das sei für ihn und für viele Mitpilger
eine sehr wertvolle Erfahrung, die sie alle nicht missen möchten.
Ein Wallfahrer habe ihm einmal gesagt: "Ich bin ja sonst nicht so oft in der Kirche,
aber diese beiden Tage der Wallfahrt nach Mariabuchen sind die zwei schönsten Tage des Jahres für mich."
In den Gaststätten wartet nun ein kräftiges Abendessen und ein guter Schluck. Die meisten Fußwallfahrer
bleiben über Nacht in Mariabuchen und feiern morgen den Gottesdienst am Festtag Maria Himmelfahrt am
Wallfahrtsort mit bevor es gilt, von der Gnadenmutter Abschied zu nehmen. Dazu kommen noch einmal
hunderte von Besuchern aus Waldaschaff, aus vielen anderen Orten des Spessarts und auch aus dem
angrenzenden Hessen.
Es ist einer der Hauptwallfahrtstage in Mariabuchen -trotz Urlaubszeit und des Beginns der
Olympischen Spiele. Die besondere Art der Gemeinschaft unter den Wallfahrern und die sommerliche
Natur machen diesen Ort in den Buchenwäldern halt immer wieder anziehend.
Otto Mergler
2. Vorsitzender
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